75 Jahre seit der Deportation - Ansprachen, Berichte, Fotos und Videos
TIPP: banater-schwaben-heilbronn.de Zeitzeugin KATHARINA FRANK
Kurzbericht über die Veranstaltung von Ines Szuck
Anlässlich des 75. Jahrestages der Deportation von rund 70.000 Deutschen aus Rumänien fand am 18. Januar eine sehr würdevolle Totengedenkfeier am Billeder Denkmal auf dem Hauptfriedhof Karlsruhe statt. Dr. Frank Mentrup, Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe, der Generalkonsul der Republik Rumänien, Radu Florea, der Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch sowie der siebenbürgische Priester Hermann Kraus überbrachten Grußworte. Zudem berichteten die beiden Priester als Zeitzeugen über das Miterleben der Deportation im Januar 1945.
Die Hauptansprache hielt der Landesvorsitzende der Banater Schwaben aus Baden Württemberg, Richard Sebastian Jäger, er erinnerte an das erlittene Unrecht und bewertete die Deportation und Verschleppung seiner Landsleute als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Die Fürbitten wurden von Ralf Gilde, Holger Giel, Theresia Jäger und Jasmin Muth vorgetragen. Die Jugendlichen haben sich darin für eine Zukunft in Frieden, Mitmenschlichkeit, Versöhnung und Freiheit ausgesprochen.
Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch, selbst Zeuge der unmenschlichen Deportation in Jugoslawien, sprach ein Gebet für die Verstorbenen in der Verbannung. Der Kreisvorsitzende von Karlsruhe Werner Gilde und der Landesvorsitzende Richard S. Jäger legten am Denkmal einen Kranz für die Toten nieder. Das Totengedenken trug Gerlinde Gilde vor und erinnerte an die rund 13.000 Tote in der sowjetischen Verbannung.
Der Kirchenchor der Heimatortsgemeinschaft Neupanat sang drei Russlandlieder, die während der Verbannung getextet und gesungen wurden. Zudem begleitete das Musikensemble Quintessenz die Gedenkfeier musikalisch und spielte bekannte Trauermärsche und Lieder. Auch beteiligten sich sieben Fahnenabordnungen von Untergliederungen.
Die Gedenkfeier im Gemeindesaal St. Bernhard war mit 200 Besuchern sehr gut besucht. Nach der Begrüßung durch den Kreisvorsitzenden Werner Gilde, bewies der Chor des Kreisverbandes Karlsruhe sein Können in mehreren Liedbeiträgen. Der Bundesverband war durch den stellvertretenden Bundesvorsitzenden, Jürgen Griebel, vertreten, der Grüße des Bundesverbandes übermittelte.
Obwohl er auf der Fahrt nach Karlsruhe einen Autounfall hatte, ließ es sich der Generalkonsul Rumäniens Radu Florea nicht nehmen und kam trotzdem zur Feier in den Saal. Er brachte einen Kranz für unsere Verschleppten mit, der am Denkmal auf dem Friedhof abgelegt wurde. Im Zentrum der Feier standen die Zeitzeugen Johann Gehl, Mathias Mitschang, Maria Albrecht, Maria Dreier und Adam Hubert. Alle waren von Januar 1945 bis im November 1949 in der Sowjetunion als Zwangsarbeiter deportiert.
Sie bekamen den Raum, über das schreckliche Erlebte zu sprechen. Johann Gehl, 94 Jahre alt, wohnhaft in Karlsruhe, berichtete über die Deportation in allen Einzelheiten, besonders bewegend waren die Schilderungen der Mitmenschlichkeit von Ukrainer und russischen Menschen, die ihn vor dem Hungertod gerettet haben.
Der 91-jährige Mathias Mitschang, ebenfalls in Karlsruhe wohnhaft, sprach erstmals nach 75 Jahren über das in der Deportation Erlebte.
Bewegend waren auch die kurzen und rührenden Worte der Kinder von Deportierten Elisabeth Bartl, Anna Martini und Ingrid R. Melcher. Ingrid Melcher berichtete über Ihre Mutter, die mit 12 Jahren zusammen mit der Großmutter und weiteren drei Banater Familien nach „nur“ 10 Monaten dem Hungertod in der Deportation entkommen sind, indem sie bettelten.
Nach einer kurzen Pause folgte eine Podiumsdiskussion zum Thema „Nur die Wahrheit schafft Gerechtigkeit“, modertiert von Ines Szuck. Der Generalkonsul Radu Florea entschuldigte sich dabei im Namen Rumäniens für dessen Mitschuld an der Deportation und dem damit verbundenen Schicksal der Deutschen in Rumänien, Peter Krier sprach über die politischen Forderungen der Landsmannschaft und des Hilfswerkes der Banater Schwaben, Stadtrat Tom Hoyem, Fraktionsvorsitzender der FDP in Karlsruhe, betonte die Wichtigkeit der Erinnerungskultur und der Landesvorsitzende der Banater Schwaben Richard S. Jäger sprach über den Umgang mit diesem Vermächtnis in der Zukunft. Die Veranstaltung ging erst gegen 19 Uhr zu Ende.
Gedenkansprache von Richard S. Jäger
Im Namen des Landesverbandes Baden-Württemberg der Landsmannschaft der Banater Schwaben begrüße ich Sie alle zu unserer Gedenkfeier anlässlich des 75. Jahrestages der Deportation von rund 70.000 Deutschen aus Rumänien in die Sowjetunion.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup, geehrter Herr Generalkonsul Radu Florea, verehrter Herr Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch, sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Landsleute,
vor 75 Jahren war die Welt geprägt von Leid, Elend, Not und Zerstörung.
Wir sind heute an diesem Denkmal auf dem Hauptfriedhof Karlsruhe zusammengekommen, um unserer Toten der Deportation in die Sowjetunion zu gedenken, um an das bittere Leid der Verschleppung zu erinnern und um deutlich zu machen, das die Verschleppung der Südostdeutschen vor 75 Jahren ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit war. Fast 120.000 Deutsche aus Ungarn, Jugoslawien und Rumänien wurden von Dezember 1944 bis Januar 1945 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert.
Gedenktage und Erinnerungsjahre sind Anlässe kollektiver Selbstbefragung, mit denen sich eine Gesellschaft oder eine Gruppe gegen das Vergessen sträubt. Fünfundsiebzig Jahre nach der Deportation markieren einen Wendepunkt, die Jüngsten der ehemals Verschleppten sind heute 91 Jahre, die damals 12jährige Verschleppte Johanna Melcher lebte 87jährig heute in Mannheim. Nach der Erlebnisgeneration – liegt es nun an uns, der Kinder und deren Nachfahren - die Wahrheit aufzuzeigen, dem Schicksal der Verschleppten und Verstorbenen eine Stimme zu geben, deren Schicksal in den Annalen der Geschichte festzuhalten. Nur die Wahrheit schafft Gerechtigkeit, nur sie hilft zu Friede und Versöhnung.
Und wir Nachkommen sind in der Pflicht „Nie wieder!“ zu rufen und kommende Generationen daran zu erinnern. Das gilt für den Zweiten Weltkrieg, die Vernichtung der Juden, die Verfolgung politisch Andersdenkender, gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das gilt auch für Flucht und Vertreibung und Deportationen.
„Die Deportation ostdeutscher Zivilisten bleibt ein Verbrechen auch vor dem historischen Hintergrund, dass sie am Ende einer Chronologie deutschen Mordens steht.“ (DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier: Verschleppt ans Ende der Welt. Schicksale deutscher Frauen in sowjetischen Arbeitslagern. 1996).
Eines dürfen wir nie vergessen: Die Deportation der Deutschen jenseits der Reichsgrenze zur Zwangsarbeit relativiert in keiner Weise die ungeheuren menschenverachtenden Verbrechen und Zerstörungen die von Nazi-Deutschland in der Sowjetunion und in der Welt begangen wurden. Die Zwangsarbeiter aus Ost und West waren Sklaven unter Hitler und Stalin, sie waren Sühneopfer und mussten für ein von anderen begangenes Unrecht büßen. Sie mussten aufbauen was andere zerstört haben.
„Nie wieder!“ mahnen wir heute unabhängig wo auf der ganzen Welt. Wir wissen um die vielen Verbrechen die auch heute und jetzt passieren und wir fühlen uns heute auch mit diesen Menschen verbunden.
Sehr verehrte Gäste, liebe Landsleute,
Heute wandern unsere Gedanken weit zurück und die Überlebenden werden heute an das Leid und das Schicksal erinnert, das sie vor 75 Jahren als junge Menschen ertragen mussten.
Als am Sonntagmorgen, dem 14. Januar 1945, die Morgensonne über unseren Banater Ortschaften, Dörfern und Städte aufging, ahnte noch niemand welch schrecklicher Tag für jede Familie angebrochen war. Es war und ist der traurigste und tragischste Tag in unserer Banater Geschichte! Es war eine wahre Tragödie, als stürze der Himmel ein vor so viel Leid und Schmerz.
Es ist der kälteste Winter mit hohem Schnee seit Jahren. Vielfaches heftiges Hundegebell, Die meisten Leute schlafen noch. Man hört den Trommler mit schweren Schritten durch die Straßen stampfen. Er gab folgendes bekannt: "Alle Männer der Jahrgänge 1900 bis 1927 und alle Frauen der Jahrgänge 1913 bis einschließlich 1926 haben sich in der Schule zu melden." (Männer 17 - 45 Jahre, Frauen 18 - 32 Jahre)
Alle Ortsausgänge wurden durch Militär abgesperrt.
Einige gingen nochmals in die Kirche um sich vom Priester segnen zu lassen, andere haben versucht durch Verstecke der Aktion zu entkommen, doch vergeblich.
Soldaten gehen mit dem Gemeindediener. Sie haben eine Liste und gehen zu den aufgezeichneten Häusern. Sie klopfen an Fenster und Türe und fordern die aufgeschriebenen Personen auf, sich unverzüglich fertigzumachen und mitzukommen.
Wir schauen auf die Gassen: rumänische Soldaten mit aufgepflanzten Gewehren eskortieren Mädchen, Burschen, Männer und Frauen. Weinend folgen Angehörige. Kleine Kinder hängen sich an die Röcke ihrer Mütter, sie werden von Soldaten verjagt, und bleiben bei den Großeltern zurück. Die Männer dieser Frauen waren in der deutschen oder rumänischen Armee, einige schon gefallen.
Alle werden in die Schule, Gemeindehäuser geführt. In Klassenräumen zusammengepfercht, wartete man auf das ungewisse Schicksal. Ein paar Tage später als man fast alle zusammengetrieben hatte, setzt sich der Gefangenenzug in Bewegung, die Angehörigen fangen an zu schreien und zu weinen. Sie wollen den Gefangenen nach, die Soldaten weichen jedoch keinen Schritt zurück. Mit Gewehren halten sie die Leute in Schach. Und auch die Gefangenen weinen und winken zurück. Das Wehklagen der Nächsten wird ihnen noch lange in den Ohren klingen. So mancher Gefangener schaut nochmals zurück auf seine Heimatgemeinde und denkt sich: "Wer weiß ob ich die Heimat jemals wiedersehen werde!". In vielen Ortschaften läuten als letzter Gruß so lange die Kirchenglocken, bis der Zug das Dorf verlassen hat.
Die Sowjetunion hat Menschen als Reparationsleistungen verlangt.
Die politische Einstellung der verschleppten Deutschen, ihre politischen Aktivitäten in der Vergangenheit, spielten überhaupt keine Rolle. Jeder der einen deutschen Namen trug und in die Alterskategorie fiel, wurde rücksichtslos deportiert, politisch engagiert oder neutral, Kommunist oder Sozialdemokrat. Reich oder arm, wohlhabende Bauern, Kleinbauern und Tagelöhner, Handwerker, Mädchen und Mütter, Frauen aller Berufe und Stände - sie alle fanden sich im Viehwaggon zusammen, unter dem einzigen Bindeglied: eben Deutscher zu sein.
Was sich beim Abschied auf den Bahnhöfen abspielte, lässt sich nicht in Worte fassen. Das Reiseziel war niemand bekannt. Für viele war es eine Fahrt in den Tod.
Über die sächsischen und schwäbischen Dörfer senkte sich Verzweiflung, Trauer und tiefste Hoffnungslosigkeit. Nur alte Leute und Kinder waren zurückgeblieben, ohnmächtig, rechtlos.
In Viehwaggons, in die man jeweils 40 bis 70 Männer und Frauen zusammenpferchte, dauerte die Fahrt bei eisiger Kälte, primitivsten hygienischen Verhältnissen und notdürftiger Versorgung bis zu den Bestimmungsorten mehrere Wochen. Schon die Hinreise in den überfüllten, primitiv eingerichteten und vergitterten Viehwaggons forderte die ersten Todesopfer.
Für neun von zehn Deportierten endete der zweiwöchige Transport in der Ukraine im Donez- und Dongebiet, in den Bezirken Dnepropetrowsk, Stalino, Woroschilowgrad. Die übrigen waren sechs Wochen unterwegs und landeten im Ural im Bezirk Molotow. Die Verschleppten wurden auf 85 Lager verteilt. Dort arbeitete jeder Dritte im Bergbau, jeder Vierte im Bauwesen, die übrigen in der Industrie, Landwirtschaft oder Lagerverwaltung. Die wenigsten erhielten Arbeit in ihren Berufen zugeteilt.
Insgesamt haben über 69.331 Deutsche aus allen Siedlungsgebieten Rumäniens den unsäglichen schweren und beschwerlichen Weg in die Sowjetunion angetreten.
Nach den namentlichen Erhebungen und Veröffentlichungen wurden aus den 5 Staaten (Rumänien, Jugoslawien, Ungarn, Bulgarien, Tschechoslowakei) 112.480 Personen in die Sowjetunion deportiert.
Davon 69.331 aus Rumänien (36.590 Männer, 32742 Frauen) darunter aus Siebenbürgen 30.336 (3.076 Tote, 12% = 18% Männer, 7% Frauen) und aus dem Banat und Arader Kreis 37.113 Personen (etwa 4.500 Tote; 3.811 wurden von der Landsmannschaft namentlich erfasst). Aus Ungarn (incl. Sathmar) wurden 31.923 Personen (etwa 3.000 Tote), aus Jugoslawien 12.000 Deutsche aus dem Banat und Batschka (davon 2.000 Tote) deportiert.
Bei mehr als 10 Prozent der Verschleppten wurde das vorgesehene Alter missachtet: Die ältesten Verschleppten waren 55, die jüngsten 12 Jahre alt.
Infolge der miserablen Unterbringung und unhygienischer Bedingungen, der schlechten medizinischen Betreuung, dürftiger Ernährung, schwerer Arbeitsbedingungen und Unfällen gab es viele Kranke und Tote. Die ersten arbeitsunfähig gewordenen Kranken wurden Ende 1945 nach Rumänien entlassen. Sie waren nur noch die Schatten derer, die vor neun Monaten ihrer Heimat entrissen worden waren: erschöpft, todkrank, am Ende ihrer Kräfte. Sie waren zum Sterben in die Heimat entlassen worden. Sie berichteten über die Beschwernisse, über die schlechte Unterbringung und Ernährung bei schwerster Arbeit, und sie verbreiteten Trauer und Schrecken durch die Aufzählung der bisher Verstorbenen.
In den Jahren 1946 bis 1947 hingegen landeten etwa 5000 Banater mit Krankentransporten in Frankfurt an der Oder, in der damaligen sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Ab 1948 verbesserten sich die Lebensbedingungen, so dass die Zahl der Kranken und Toten stark zurückging.
Viele Tausende sollten jedoch am Ort der Verbannung, im Donezbecken und im Ural leidvoll sterben. Harte Sklavenarbeit, Hunger, ewiger Hunger, Kälte, Seuchen und Tyrannei rafften die Menschen dahin. Von Heimweh geplagt sagen sie traurige Lieder und gaben ihrem Leiden Ausdruck.
Etwa 13.000 Personen aus Südosteuropa, haben die fünfjährige Deportationszeit nicht überlebt, wobei es die größte Todesrate im Jahre 1947 gab. Es kamen anteilmäßig dreimal so viele Männer als Frauen ums Leben.
Im Endergebnis fanden etwa 15 % der Verschleppten aus Rumänien den Tod.
Dies bedeutet jeder 6. starb in der Deportation oder an den Folgen. Wie groß die Anzahl jener war, die zermürbt an Leib und Seele wiederkehrten, in ihrer Lebenserwartung aber entscheidend verkürzt wurden, diese Zahl ist nicht ermittelbar.
[Es scheint so, als habe die Sowjetregierung von vornherein fünf Jahre eingeplant. Erst ab 1948 entließ sie daher auch gesunde Arbeitskräfte (insgesamt etwa 49 Prozent), um dann im Oktober 1949 die Lager aufzulösen. Das letzte Drittel der Verschleppten kehrte daraufhin nach Rumänien zurück. Aus der Sowjetzone Deutschlands dürften etwa 50 Prozent heimgekehrt sein. Die übrigen gelangten meistens nach Westdeutschland, während ein kleiner Teil in der nachmaligen DDR verblieb. Bloß eine kleine Gruppe von 202 Personen wurde erst 1950 bis 1952 nach Hause gelassen. Sieben sollen in der Sowjetunion verblieben sein.]
Für die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben bleibt die Russlandverschleppung das schrecklichste Trauma ihrer neuzeitlichen Geschichte.
Während also die Verschleppten in der Sowjetunion wie Sklaven Schwerstarbeit verrichteten, führten die daheimverbliebenen Familien einen schweren Existenzkampf. Die Lage besserte sich erst, nachdem die Russlanddeportierten heimgekehrt waren.
Wieder in der Heimat, sahen sich die Überlebenden ihres Besitzes enteignet, das Haus zum Teil von rumänischen Neukolonisten besetzt und mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Sie mussten auch erkennen, dass die so ersehnte Heimat nicht mehr so existierte wie sie sie kannten. Viele Entrechtungen, Diskriminierungen mussten die Deutschen in Rumänien im kommunistischen Rumänien ertragen. (Schauprozesse, Militärdienst usw.)
Und nur zwei Jahre später 1951 gingen wieder 10.000 Banater Schwaben auf eine lange ungewisse Reise, diesmal in die Baragansteppe, nochmals für fünf lange und schwere Jahre.
Zahlen, Prozente und allgemeine Beschreibungen sind jedoch nur numerische Größen. Der Schmerz, die Qualen und die Trauer lassen sich nur über das von den Einzelnen Erlebte und Erlittene erfassen, anhand der Einzelschicksale.
Auszug aus dem Brief von Katharina Path aus Ploschitz, drei Tage vor ihrem Hungertod: „Ihr Geschwister, so wollte ich Euch bitten, gebt einem armen Menschen den ersten Teller voll zu essen, liebes Kind, weil ich hungrig von dieser Welt gehen muss, liebe Kinder. Ich hätte gerne noch leben wollen, daß ich noch einmal meine Lieben hätte sehen können. Das ist mein einziges Verlangen.
Sagt allen Freunden und Bekannten, ich lasse sie grüßen. Und wenn ihr Speck und Brot eßt, so denkt an mich, an Eure arme Mutter. Er ist fort, mein Appetit. Lebt alle wohl und vertragt Euch. Das ist mein letzter Wunsch.“
Eva Getsch aus Wiesenhaid schrieb am 18. August 1946 an den Ortspfarrer und ihre Eltern: „Es ist für uns so bitter schwer. Wir kennen keinen Sonntag, sehen keine Kirche, hören keine Glocke läuten. Wir haben immer nur einen Weg zu gehen. Ihr Lieben, in der Heimat, seid zufrieden, komme was wolle, denn wir sehen jetzt was Leben heißt. Nie war man zufrieden, hatte man auch noch so viel, einer wolle mehr sein als der andere, doch hier sind wir alle gleich, ob arm ob reich.“
Neben der Sehnsucht nach den Lieben war auch der Glaube für viele ein Halt in dieser bitteren Passionszeit: Beispiel: Rote-Kreuz-Postkarte Anna Jäger aus Sanktanna schreibt am 23.Februar 1947 an ihren Bruder Priester Lukas Jäger in Temeswar: „Lieber Bruder, mit dem Auferstehungsgedanke sitze ich hier und denke gerade ob für uns auch wiedermal diese Freude kommen wird, denn es sind dies ja schon die dritte Ostern in der Fremde, hoffen dass es die letzte sind. Grüße an Dich, Eltern, Geschwister, Tante. Deine liebe Schwester Nina“
Versöhnung spricht auch aus dem Gebet von Peter Altenbach, ein Deportierter aus dem Banat. Mit seiner Botschaft möchte ich meine Ansprache beenden, denn sie hat nichts von ihrer Aktualität und Relevanz verloren: Er schrieb damals im Donbass: „Wir wollen sogleich bitten Allmächtiger, bewahre unsere Kinder und alle Völker vor dem gleichen Schicksal, versöhne alle Völker und laß Frieden in der Welt sein.“
Erlebnisbericht von Johann Gehl
Ich bin Johann (Jani) Gehl, wurde Ende Oktober 1926 in meinem Heimatort Billed im Banat geboren und musste aufgrund des Jahrgangs zwar nicht mehr zum deutschen Militär, dafür aber nach Russland (Ukraine) ins große Koks- und Chemiekombinat.
Von meinem Heimatort hatte ich wenig, denn schon mit zehn kam ich nach Temeswar in die Banatia und ab dann verbrachte ich nur noch die Ferien in meinem bäuerlichen Elternhaus.
Im vorletzten Jahr der Katholischen Lehrerpräparandie in Temeswar ging es dann für fünf Jahre nach Stalino (heute Donezk), über die ich später berichten möchte.
Nach den Russlandjahren kam ich zuerst als Hilfslehrer für russische Sprache nach Lippa, heiratete, kam später als Schuldirektor nach Blumenthal und nach drei Jahren wieder zurück nach Lippa. Danach war ich sechs Jahre als Lehrer in Billed tätig, anschließend als Bibliothekar an der Universität, später dann Sportlehrer an der Allgemeinschule Nr. 8 in Temeswar, bis ich 1984 mit der Familie als Aussiedler nach Karlsruhe kam.
Unsere gesamte Familie und über 400 Billeder Landsleute sind froh und zufrieden, hier in dieser schönen und freundlichen Stadt, die uns das Gefühl einer „neuen Heimat“ gab, zu leben. Karlsruhe ist Patenstadt unserer Banater Hauptstadt Temeswar und für die Billeder ist es jene Stadt, in der alle zwei Jahre das Heimatreffen stattfindet und wo, bei gegebenen Anlässen, am Billeder Denkmal auf dem Hauptfriedhof der alten Heimat und der Toten gedacht wird.
Ich selbst bin vielen bekannt, weil ich über 20 Jahre im „Haus der Heimat“ tätig war.
Und jetzt über unsere Deportation vor 75 Jahren.
Am 14. Januar 1945 erschienen ein Milizmann und zwei Soldaten auf unserer Straßenseite und nahmen recht unfreundlich meinen Vater und mich und an der Ecke den Vetter Friedl und Klos Gilde (Werner Gildes Großvater und Onkel) mit in die Schule, zur Sammelstelle für den Weg in die Deportation. Inzwischen hatten sich hier schon viele Freunde und Bekannte eingefunden und die Angehörigen versorgten uns mit Essen und Trinken. Nach zwei Tagen ging es nach Perjamosch, wo der Bahntransport ins Unbekannte vorbereitet wurde.
Unvergessen ist dieser Abgang von über 500 Billedern. Kinder liefen ihren Müttern nach, Mütter und Väter ihren Söhnen - weinend, oft schreiend und jammernd. Gestern waren sie noch anerkannte Bürger ihres Vaterlandes, heute wurden sie wie Verbrecher behandelt.
Von Billed aus folgten der Kolonne die Pferdewagen beladen mit Lebensmitteln und Kleidern bis zur Sammelstelle. Die Betroffenen mussten alle vor die ärztliche Kommission, wo mein Vater als „untauglich“ befunden wurde und heim durfte. So blieb ich allein, aber es war eine gute Entscheidung, denn er hätte die Deportation nicht überlebt.
Von Perjamosch ging es dann in vorbereiteten Vieh- und Güterwaggons auf die streng bewachte Reise und nach fünf Tagen waren wir dann in Râmnicu Sărat, die Umladestation in die russischen Breitspur-Waggons. So kam es, dass Landsleute auseinandergerissen wurden, manchmal sogar Familien.
Ab da übernahm der russische Wachdienst das Kommando und keiner durfte mehr aus den Waggons. Da wir nur kaltes Essen und unterschiedliches Wasser hatten, bekamen viele Durchfall und Fieber, und nach 2-3 Tagen gab es schon die ersten Toten. Sie wurden irgendwo neben der Bahnlinie abgelegt (Billeder Sepp Lauth). Der Transportzug wurde dann nach 3-4 Tagen Fahrt wieder geteilt und so kamen die Billeder nach Jenakijewo, Smolensk und Stalino.
Inzwischen wurde es winterlich kalt und viele unserer Lebensmittel sind gefroren und mussten weggeworfen werden. Nach 12-13 Tagen waren dann unsere Waggons in Stalino und wir kamen in das Lager Nr. 1010, direkt am Südeingang des "Koksochim Zawod", wo ich fünf Jahre arbeitete.
Umzäunt war das Lager mit einem hohen Bretterzaun und Stacheldraht. An der Südseite war ein Tor und das Wächterhäuschen. Diesen Durchgang musste jeder benutzen, bei Ein- und Ausgang. Im Lager war bei unserer Ankunft schon Bewegung, denn die Siebenbürger Sachsen waren schon 2-3 Tage vor uns angekommen und halfen uns bei der Unterbringung. In dem einstöckigen Hauptgebäude waren die Schlafstellen untergebracht: für Männer im Erdgeschoss und für Frauen im Obergeschoss. An den Seiten standen die 3-4 stöckigen Bettgestelle, in der Mitte war ein breiter Gang, in welchem Herde und Öfen standen. Im hinteren Teil des Hofes standen Waschräume und Latrinen.
Die Küche/Kantine „Stolovaja“ (das wichtigste Wort!) mit Essräumen und Brotausgabe lagen im Innenteil des Werkes ca. 800-1000 m vom Lager entfernt - den Weg, den man 2-3 mal am Tag gehen musste. Außerhalb des Lagers, ca. 400-500 m, lag die Krankenstation „Isolator“ genannt, mit einem direkten Weg ins Werk.
Nach einigen Tagen hieß es dann „Antreten zur Arbeit“. Anfangs kamen in der Früh einige Meister und Brigadiere ins Lager, um sich Leute zur Arbeit zu holen. Ich hatte Glück, weil der schon ältere Meister S. Spiridonovici mich und 3-4 Kollegen zum Sektor Telefonleitungen mitnahm, gleich neben dem Eingangstor ins Werk.
Ende des Jahres 1945 kam ich dann ins Heizhaus (Parakatelnaja Zech), ein Nebensektor des Chemiewerks (Dampferzeugung) zu Ing. S. Baranzow, als Schlossergehilfe bei Meister Nowitzki, wo ich bis zu meiner Heimreise im November 1949 tätig war.
Ich war die gesamte Zeit mit meinem Arbeitsplatz zufrieden. Allein in der Werkstatt mit meist jungen russischen Kollegen lernte ich schnell die russische Sprache, denn wo mehrere unserer Landsleute beisammen waren, wurde doch meist Deutsch gesprochen und so das Russische vernachlässigt.
Weil das Heizhaus Teil des Chemiewerks war und dadurch giftstoffgefährdet, gab es bei uns regelmäßig gute Arbeitskleidung und Schuhe, sowie Sonderzulagen an Essensmarken für die Werkskantine.
Gleich wurden überall Handwerker gesucht - Tischler, Maurer, Maler, Schneider und sogar Friseure konnten sich dann nach ihrer Arbeit im Werk gutes Geld und Essen in der Stadt bei Privathaushalten verdienen.
Schlecht hatten es anfangs die Frauen und Männer die im Werk noch nicht untergekommen waren und für Aufräumarbeiten eingesetzt wurden; denn da war kein Verdienst, wenig und schlechtes Essen, man war der Kälte und Hitze ausgesetzt.
Im Werk gab es verschiedene Abteilungen - z. B. die Frauenbrigade im Heizhaus war eine Gruppe von ca. 12-14 Frauen aus Siebenbürgen, die in drei Schichten mit Schubkarren die Kohle an die Heizöfen fuhren und die Schlacke in die Waggons.
Die Freizügigkeit in unserem Lager ermöglichte es später auch jenen ohne Anstellung im Werk, nach ihrer Arbeitszeit frei in der Stadt ein bisschen Geld zu verdienen oder im Sommer 3-4 Monate auf den Kolchosen unterzukommen.
Bestverdiener, meistens waren es junge, gesunde und kräftige Männer, Kohlenschaufler und Transportarbeiter hatten 1.200 g Brot pro Tag, Zusatzleistungen, guter Lohn bei Normerfüllung - mussten dafür aber in drei Schichten und oft unter ungesunden Bedingungen arbeiten.
Die Lagerleitung bestand aus 3-4 Offizieren, allen voran unser Major, der Lagerkommandant. Kriegsinvalide mit Armprothese, ein gutgesinnter Mensch und Ratgeber. Sein Motto: Macht eure Arbeit, geht frei herum, wohin ihr wollt, aber lauft nicht weg - denn im Straflager gibt´s eine andere Behandlung und nicht „Skoro domoi“. Dieser Rat galt uns allen als Mahnung und wurde auch angenommen.
Seitens unserer Lagerleitung wurde wenig auf Ordnung gegeben, dafür aber konnte jeder seine Freizeit organisieren, wie er wollte und überall hin sich frei bewegen (schlampig und leger). Im 1001- Lager z. B. war Ordnung, dafür aber auch sehr streng und es gab keine Freiheiten.
Schon im August 1946 starb mein Klassenkamerad und Freund Hans Alexius, auch Arbeitskollege im Chemiewerk, mit 20 Jahren. Es gelang mir mit unseren Freunden, ihm eine Beerdigung auf dem Friedhof mit Sarg und Kreuz zu organisieren (nicht einfach damals). Unser evangelischer Pfarrer Hr. Erwin Barth (katholischer war ja keiner mitgekommen) war auch dabei, sprach die Trostworte und machte das bekannte Foto, welches ich den Eltern zuschickte. Später erschien das Bild auch in Fernsehsendungen und verschiedenen Publikationen.
Nach der Heimkehr war mein schwerster Weg zu seinen Eltern, um ihnen Näheres über seinen Tod zu berichten. Für sie war es eine besonders traurige Lage, denn die beiden älteren Söhne überlebten den Krieg, blieben aber in Deutschland, und der jüngste musste in Russland sterben. Es gab dabei viele Tränen, Schluchzen und Schweigen.
1947 erkrankte auch ich an Typhus und kam im komatösen Zustand ins Epidemie Spital, wo ich in diesem Zustand 10-12 Tage lang lag. Nach drei Wochen wurde ich dann sehr geschwächt und mit einer großen Rückenwunde wieder ins Lager entlassen.
Aber mit Hilfe von Freunden erholte ich mich schnell und kam nach nur dreimonatiger Pause an meinen Arbeitsplatz zurück. Weil ich mich schon so gut erholt hatte, kam ich nicht mehr in den Krankenrücktransport, sondern wurde wieder als „arbeitsfähig“ eingestuft.
Anfang 1948 wurden die Rationalisierungen aufgehoben und sofort verbesserte sich unsere allgemeine Lage. Brot und andere Lebensmittel konnte man frei kaufen, Basare besuchen und einkaufen. Das wirkte sich aber auch auf unser Lagerleben positiv aus.
Die Antifa-Komitees wurden gewählt, Freizeitveranstaltungen organisiert wie: Sprachkurse, Teilnahme an kulturellen und sportlichen Aktivitäten, Theaterbesuche, Tanzunterhaltungen, Schachwettbewerbe u.a.
Da war unser Lager gefragt, denn wir hatten eine gute Musikkapelle und zu den Tanzunterhaltungen kamen auch Kriegsgefangene und unsere Freunde aus dem 1001- und dem Batschkalager. Es begann Leben einzukehren, die Jugendlichen freuten sich, wollten sich nach schwerer Arbeit unterhalten und unser Major und die Offiziere erlaubten dies mit Genugtuung. Freund Matz Kandler, ich und einige Siebenbürger spielten Fußball auf dem berühmten „Schachtjor“ Fußballplatz.
Der Anfang war für alle schwer, aber im Allgemeinen war uns die russische Bevölkerung nicht falsch gesinnt, sie waren gute Arbeitskollegen. Ihre eigene Situation war ja auch nicht rosig und so hatten die meisten ein gutes Verständnis für uns, oft waren sie auch hilfsbereit in Notfällen, wie mein Meister Spiridonovitsch.
Für die ledigen jungen Männer und Frauen wurde es immer leichter, sie beherrschten schneller die Sprache, beteiligten sich an den organisierten Aktivitäten im Lager und die Lagerleitung förderte diese Initiativen.
Schwerer hatten es diesbezüglich die älteren Frauen und Männer, die daheim Familie und Kinder hatten und es ihnen nicht so an Unterhaltung lag und immer nur dieses „domoi-nachhause“ im Sinn hatten. Viele versuchten den Krankentransport zu erreichen, indem sie sich selbst gesundheitlich ruinierten, z.B. durch exzessiven Salzkonsum. Oft aber erreichten sie den Transport nicht mehr oder starben auf der Reise nachhause. Schon von Anfang an hieß die Losung immer: „Skoro domoi“.
Für mich wurde sie erst November 1949 wahr, als ich im zweiten und letzten Transport die Lagertür zuschlug und über Sighetu Marmației das Heimatland erreichte. Hier kamen wir vor die Entlassungskommission, alles russische Offiziere, die jeden Einzelnen befragten, wohin er möchte.
Unser politischer Hauptmann war Transportbegleiter und saß auch am Tisch. Als ich an der Reihe war, stellte er mir die Frage: Na Iwan, ti kuda chotschisch - wohin willst du? Germania? Ich darauf: Njet! - Nein! Chatschu domoi! Ruminja - Ich will nachhause! Rumänien. Er darauf: Charascho!
Nachdem ich den Entlassungsschein hatte, ging meine Fahrt nach Billed, in mein Heimatdorf, weiter. Zu dem Zeitpunkt sprach ich besser Russisch als Rumänisch … Nachdem mir der Tabak ausgegangen war, bat ich einen rumänischen Grenzer um eine Zigarette: „Dă-mi să fum!
Erlebnisbericht von Mathias Mitschang
Es war der 20. Januar, als ich verhaftet wurde und nach Tagen mitten im Winter in kalten Viehwagons irgendwo in Sibirien angekommen bin. Ich war damals 16 Jahre alt, jetzt bin ich 91.
Meine Deportation dauerte 5 Jahre. Bis heute habe ich noch nie öffentlich über meine Erlebnisse und meinen Leidensweg gesprochen. In der Zwischenzeit von 70 Jahren wurde viel geschrieben, sowohl in Zeitungen wie auch in verschiedenen Büchern, mit demselben Inhalt: Raub der Freiheit und der Menschenwürde. All das geschieht, um die Erinnerung an die Tragödie der Verschleppungen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und, damit sich so etwas nicht mehr wiederholt. Dasselbe gilt auch für die jährlichen Gedenkveranstaltungen, wie die heutige in Karlsruhe. Ich werde nur über außergewöhnliche Ereignisse berichten.
Während der Deportierung habe ich mich bei Verwandten in Nitzkydorf aufgehalten. Als ich dachte, dass die Aktion schon abgeschlossen sei, kam ich wieder heim. Diese Entscheidung war jedoch falsch.
Folgendes geschah: Am Sonntag waren nur meine Mutter und ich zuhause. Ich blickte durchs Fenster auf den Hof, als plötzlich die Tür aufging und ein russischer Soldat erschien, gefolgt von einem rumänischen Polizisten und einem Gendarmen. Der russische Soldat hat mich sofort erblickt, weshalb ich mich nicht mehr schnell verstecken konnte. Er verlangte meinen Personalausweis, übersah aber, dass ich erst 16 Jahre alt war und noch befreit von der Deportation. Er befahl auch sofort, einen Koffer vorzubereiten mit etwas Lebensmitteln, einer Decke und einer Flasche mit Wasser. Dem Wetter angepasst, war ich nur leicht angezogen und wurde so zur Sammelstelle bei der Polizei in der Fabrikstadt gebracht. DerRusse hat dafür eine Bestätigung bekommen und war froh, seine Pflicht getan zu haben. Bis am Abend wurden noch circa 80 Personen gemeldet, denn in der ganzen Stadt haben ähnliche Brigaden überall kontrolliert und verhaftet, weil noch 60 Personen fehlten, um noch einen Wagon vollzukriegen für den letzten Transport von Lugoj.
Mein Vater hatte inzwischen erfahren, wo ich mich befinde. Um mich zu befreien, hat er einen Antrag an die Präfektur gestellt.Am dritten Tag wurden wir mit LKWs zur Hauptsammelstelle beim Electrica-Sportplatz (Jagdwald) gebracht.
Wir wurden einzeln vor eine rumänisch-russische Kommission gerufen, die entschied, wer geht und wer bleibt. Ich war überzeugt, wenigstens jetzt wieder frei zu werden, aber auch diesmal wurden meine Geburtsdaten absichtlich übersehen und gesetzwidrig für die Verschleppung freigegeben.
Nach der Untersuchung wurden wir per LKWs nach Lugoj gebracht, von wo der letzte Transport abfahren sollte. Als die LKWs fertig zum Losfahren waren, kam rechts die Straßenbahn an und mein Vater stieg aus. Ich konnte ihm noch zurufen : „Tata“, wir winkten uns gegenseitig zu und verabschiedeten uns so für 5 Jahre.
Mein großes Pech war, dass mein Vater 5 Minuten zu spät ankam, er hatte nämlich die Genehmigung für meine Befreiung dabei...
Die lange Reise bis nach Westsibirien war eine Qual ohne Ende: Wir lagen alle dicht nebeneinander, konnten uns so gegenseitig wärmen, denn im Wagon war es sehr kalt. Ich habe dann noch den Fehler gemacht, mich direkt an die Seitenwand des Wagons zu legen. Mit dem Taschenmesser machte ich darin ein Loch mit der Absicht, so das Land besser kennen zu lernen. Jenseits der Wolga wurde es im Wagon immer kälter, selbst das Wasser in meiner Flasche war gefroren.
Nachdem wir an der Endstation Ufalei angekommen sind, kamen wir im Lager in Quarantäne. Es war eine durch Läuse übertragene, ansteckende Krankheit ausgebrochen. Wir waren am Anfang 2000 Personen, durch die Meningitis ist etwa 1/3 von uns gestorben. Das Sterben hat nie ein Ende genommen und immer war der Hunger die Ursache: Das Essen war viel zu wenig um zu überleben.
Das Arbeitslager Ufalei wurde zum Sterbelager und niemand wurde zur Verantwortung gezogen.
Nach vier Jahren waren wir nur noch 200 Überlebende übrig, weshalb das Lager geschlossen
wurde. Wir wurden in das Lager von Polanino versetzt, 10 km von der Großstadt Tscheliabinsk, wo in einem Jahr kein Mensch mehr gestorben ist. Es gab genügend zu essen und für die geleistete Arbeit in einer Ziegelfabrik bekam man den entsprechenden Lohn. Das hat mich ambitioniert, immer mehr zu leisten und damit mehr zu verdienen.
Der menschliche Körper hat aber sein Limit, so bin ich eines Tages nach 2 Stunden Arbeit einfach zusammengebrochen. Vom Arzt untersucht, bin ich sofort arbeitsunfähig geschrieben worden und zwar bis zu unserer Heimkehr 1949.
In die Heimat zurückgekehrt, begann ich wieder Sport zu treiben, um mich zu erholen und wurde sogar wieder Spitzensportler im Geräteturnen und in der Leichtathletik - wie vor der Verschleppung. Ich war der drittbeste Stabhochspringer Rumäniens.
2 Tage nach meiner Heimkehr traf ich im Zentrum von Temeswar meinen besten Freund und gewesenen Banknachbarn im ersten Jahr der Banatia Lehrerbildungsanstalt. Von ihm erfuhr ich von der Existenz der Temeswarer Sportschule, wo Diplom-Sportlehrer ausgebidet wurden. Am zweiten Tag hat mich mein Freund (Ferdinand Wittmann) dem damaligen Direktor vorgestellt und ich wurde gleich ins 2. Jahr aufgenommen. Ich habe mit Erfolg absolviert und wurde sofort angestellt. Zusätzlich habe ich per Fernunterricht die Sportfakultät beendet und meinen Beruf 36 Jahre ausgeübt.
1989 konnte ich mit meiner Familie nach Deutschland ausreisen. Obwohl ich schon in Rente war, blieb ich weiterhin aktiv: 22 Jahre war ich an der Pädagogischen Hochschule als Sporthallen-Aufsicht tätig.
All meine Aktivitäten wollte ich bekannt machen, um zu beweisen, dass nur mit Hilfe des Sports und ständiger Bewegung ein gesundes und langes Leben garantiert ist. Nur so konnte ich die 5 Jahre Verschleppung überleben und das Alter von 91 Jahren erreichen.
Beiträge über die Deportation der Deutschen Rumäniens in die Sowjetunion 1945-1949
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