Allerheiligen 2015 am Denkmal der Billeder
Ansprache von Werner Tobias
Die dunkle Jahreszeit mit kurzen, trüben Tagen, die mit dem November beginnt, macht manch einem zu schaffen. Sie sorgt bei vielen von uns für eine gedämpfte Stimmung, die sich aufs Gemüt legt. Doch sind es auch die ersten Novembertage, wenn unsere Gedanken mehr als sonst unseren lieben Verstorbenen gelten.
Seit vielen Jahren leben die meisten Billeder in der Bundesrepublik Deutschland. Inzwischen hat wahrscheinlich jede Familie auch hier in der neuen Heimat schon eines seiner Mitglieder zu Grabe getragen. Wir kommen zusammen auf dem Friedhof und beten für sie, auf dass ihre Seelen Ruhe finden mögen im Herrn. In unserer Erinnerung leben sie weiter. Wenn wir am Grab Kerzen anzünden, Blumen niederlegen und still im Gebet verharren, fühlen wir uns ihnen nahe. Unser Glaube sagt, dass nicht der Tod das letzte Wort hat, sondern Christus, der die Seelen erlöst und ihnen Frieden schenkt in Gott.
Wir treffen uns seit nunmehr 28 Jahren an diesem Gedenkstein, den wir Billeder, zur Erinnerung an unsere Heimat und stellvertretend für unsere Gräber im Banat, errichtet haben. Doch was bedeutete Heimat für uns Banater? Der aus Hatzfeld stammende Nikolaus Franzen hat den für uns so prägenden Begriff sehr treffend in den folgenden Versen festgehalten:
Hier trieft der Schweiß der nimmermüden Schwaben,
Den Boden den sie segnend mit dem Pflug
Einst schwer den Sümpfen abgerungen haben,
Bis endlich er die reiche Ernte trug.
Wo blühend dann die Schwabendörfer standen,
Inmitten Ackerfeldern segenschwer
Geraubt von einer Macht aus fremden Landen
Ist Heimat für uns Schwaben nun nicht mehr.
Ich hatte die Gelegenheit, auf dem Neu-Beschenowaer Heimattreffen vor drei Wochen, die Interpretation dieser Verse auf dem Akkordeon vorgetragen von unserem aus Dolatz/Klein-Betschkerek stammenden Pfarrer Peter Zillich, in einem ergreifenden Gottesdienst zu erleben. Im Refrain hieß es dort: "Hier jauchzt mein Herz dir großer Schöpfer zu, wie groß bist Du, wie groß bist Du…"
Im August 2015 hat unsere Heimatgemeinde Billed den 250. Jahrestag seit der Gründung durch die Siedler des Zweiten großen Schwabenzuges unter Maria Theresia begangen. Hervorragend organisiert, wurde dieses einmalige Ereignis über drei Tage in Würde gefeiert. Dabei galt es daran zu erinnern, wo unsere Geschichte ihren Ursprung genommen hat, das Werk unserer Vorfahren zu ehren und für ihre geleisteten Opfer zu danken. Diese, unsere Ahnen haben mit sehr viel Fleiß, Ausdauer und harter Arbeit das geschaffen, was für acht folgende Generationen Heimat bedeutet hat.
Denen, die sich fürs Bleiben entschieden haben, wünschen wir, dass Billed ihnen für immer eine sichere Heimstatt bietet. Unsere Lebensgeschichte ist eng miteinander verwoben. Wir alle haben dort unsere Kindheit verbracht, gewirkt und gearbeitet, glückliche und auch traurige Stunden gemeinsam erlebt und tragen in uns das Billed-Gen, das uns alle verbindet. Unsere Lebenswege haben sich in alle Richtungen entwickelt und trotzdem, wie auch diese Gedenkfeier zeigt, fühlen wir uns immer noch zusammengehörig.
Die beiden Friedhöfe in Billed sind, dank guter Fürsorge vor Ort, in einem vorbildlichen Zustand. Die Gräber dort gehören zu uns und stellen das letzte sichtbare Zeugnis der Existenz unserer Ahnen dar. Deshalb können und werden sie nicht in Vergessenheit geraten. Wie viele Tausend haben dort ihre letzte Ruhestätte gefunden? Sie und alle unsere Verstorbenen sind uns nur vorausgegangen, den Weg, der uns noch bevorsteht. Mögen wir alle dafür sorgen, dass das Billed-Gen noch lange in uns und unseren Nachkommen weiterlebt.
Wie es schon auf dem Stein eingraviert steht, so gedenken wir auch heute in Ehrfurcht, Dankbarkeit und Liebe all unserer Toten auf den Friedhöfen hier und in der Heimat, der Gefallenen der beiden Weltkriege und Opfer auf der Flucht und in der Zeit der Russland-Deportation, deren Gräber oft niemand kennt. Ebenso gedenken wir derer, die aus der Baragan-Verschleppung nicht mehr heimgekehrt sind, sowie unserer verstorbenen Landsleute in aller Welt.
Wie es unser Ehrenvorsitzender Peter Krier in seiner bemerkenswerten Ansprache am Billeder Kriegerdenkmal im August formuliert hat, so möchte ich heute auch an die vielen nicht-Billeder Opfer der Kriegshandlungen damals rund um Billed erinnern - Rumänen, Ungarn, Sowjetkämpfer - und nicht zuletzt an die gefallenen deutschen Soldaten, die dort ihr Leben gelassen haben. Wörtlich sagte er: „Vor Ihnen verneigen wir uns und blicken dankbar nach oben, dass wir nun schon seit zwei Generationen in unserem Europa in Frieden leben dürfen“.
Das ist nicht selbstverständlich und deshalb wollen wir alles dafür tun, dass dies auch für die kommenden Generationen so bleibt. Unsere Forderung an die Mächtigen und Verantwortlichen dieser Welt, ebenso wie an alle Menschen kann nur sein, mit Bedacht und Umsicht mit diesem hohen Gut umzugehen.
Herr - lass sie ruhen in Frieden.
Fotos von Cornel Gruber
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