Allerheiligen 2017
Gedenkansprache von Melanie Müller am Denkmal der Billeder
Liebe Landsleute, liebe Billeder Landsleute, sehr geehrte Damen und Herren,
heute ist der 1. November, es ist Allerheiligen. Wieder haben wir uns hier vor unserem Billeder Denkmal versammelt, um unserer Toten zu gedenken.
Liebe Landsleute, ich wurde hier in Deutschland geboren und kenne das Leben, wie ihr alle es im Banat erlebt habt, nicht. Gemeinsam mit meinen Eltern habe ich eure alte Heimat besucht und durch viele Geschichten meiner Familie ein Stück eures früheren Lebens, eurer alten Heimat, näher kennengelernt.
Nun lebt der Großteil schon über 20 Jahre hier in Deutschland und konnte hier Fuß fassen. Danke, dass ihr den Mut und Willen aufgebracht habt, eure damalige Heimat zu verlassen und in Deutschland neu anzufangen. Ihr habt vieles zurückgelassen, neben eurem Hab und Gut, musstet ihr auch bereits verstorbene Familienmitglieder oder Freunde zurücklassen. Viele Gräber wurden einbetoniert, in der Hoffnung, dass die Toten ihren ewigen Frieden finden.
Als ihr nach Deutschland gekommen seid, kann ich mir vorstellen, dass es sicherlich nicht einfach war, hier Fuß zu fassen und ein normales Leben zu führen. Doch ihr habt es geschafft und seid dabei eine große Gemeinschaft der Banater Schwaben geblieben, auch wenn viele hunderte Kilometer zwischen einigen alten Freunden, Bekannten oder Familienmitgliedern liegen. Ihr habt meiner Generation und den nachfolgenden gezeigt, was es heißt, ein Banater Schwabe zu sein. Ihr habt uns die Sitten und Bräuche des Banats beigebracht. Ihr habt uns gelehrt, „schwowisch“ zu sprechen, was es heißt, richtig Zeppelpolka zu tanzen, wie stolz man sich in der Kirchweihtracht fühlt und vieles mehr. Doch viele, die uns und natürlich euch diese Dinge beigebracht haben, sind leider nicht mehr unter uns. Sie können nicht mehr miterleben, wie das Enkelkind zum ersten Mal eine Tracht anzieht oder wie erwachsen es bereits geworden ist.
Wir stehen heute hier zusammen, um all unserer Verstorbenen zu gedenken. Wir gedenken aller, die durch Krankheit ihr Leben lassen mussten. Wir gedenken aller, die durch Kriege, Flucht oder Deportationen ihr Leben oft viel zu früh verloren haben.
Vielleicht haben wir uns heute hier versammelt, weil wir an unseren alten Traditionen und Sitten festhalten wollen, vielleicht aber auch um zusammenzustehen, gemeinsam zu trauern, sich zu unterstützen, einfach beieinander zu sein.
An so einem Tag wie heute kommen Erinnerungen und vor allem der Schmerz noch stärker hoch als das restliche Jahr über. Wir kommen zusammen, um nicht alleine zu sein und das ist wichtig, denn niemand von uns ist gerne alleine. Auch wenn der Schmerz und der Verlust noch so groß sind, wir sind nicht alleine, wir sind eine große Gemeinschaft der Banater Schwaben. Deswegen ist es so wichtig, vor allem zu Allerheiligen zusammen zu kommen. Wir können einander stützen und gemeinsam in Erinnerungen schwelgen. Lasst uns dabei vor allem an die schönen Zeiten der Vergangenheit im Banat und an die heutige Zeit hier, mit euren Ehepartnern, Kindern, Enkelkindern, Urenkeln… einfach eurer ganzen Familie denken.
Wir stehen hier vor unserem Billeder Denkmal, welches symbolisch für all unsere Toten steht, vor allem für all diejenigen, welche wir nicht an einem Grab besuchen können. Wir haben hier einen Ort, wo wir gedenken und uns an längst vergangene Zeiten erinnern können. Dieser Platz hier wird uns alle immer wieder zusammenführen und auch unseren Liebsten, die vorangegangen sind, können wir hier und heute ganz nah sein.
Lasst uns gemeinsam in alten Erinnerungen schwelgen, sprecht gemeinsam über längst vergangene Zeiten. Erzählt, was ihr mit euren lieben Verstorbenen erlebt habt und lasst sie damit in euren Erinnerungen und Gedanken aufleben. Denn erst, an den nicht mehr gedacht wird, ist für immer vergessen.
Schaut in die Zukunft, versteckt euch nicht vor der neuen Welt, auch wenn der Schmerz noch so tief sitzt. Denn heute ist auch ein Tag der Hoffnung. Die Hoffnung auf ein Leben ohne Krieg und Schmerz, dass kein Unschuldiger mehr sein Leben für einen sinnlosen Krieg lassen muss. Hoffnung, auf ein langes gesundes Leben mit unseren Familien und Freunden. Hoffnung, auf den ewigen Frieden für unsere Verstorbenen und, dass wir eines Tages wieder mit ihnen vereint sein werden.
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