Wann de Stollemunges un de Hillseblitz Broikes mache


Nicht nur das Spitzmaulnashorn, die Knoblauchkröte und der Brillenbär sind vom Aussterben bedroht. Auch Pflanzen wie der gelbe Enzian, der stechende Mäusedorn, der Sonnentau und der Fieberklee müssen vor dem Aussterben bewahrt werden. Als im Jahr 2005 ein Buch mit dem Titel „Lexikon der bedrohten Wörter“ erschien, war meine Neugier groß, welche Begriffe der Autor Bodo Mrozek uns vor dem Verschwinden noch mal vor Augen führen wollte.

Er nennt viele Wörter für Dinge, die es nicht mehr gibt, Begriffe, die nur noch selten benutzt werden oder Wörter, für die es inzwischen andere Bezeichnungen gibt. Hier eine kleine Auswahl. Backfisch: Bezeichnung für ein halbwüchsiges Mädchen; Aussteuer: Brautausstattung; Affenzahn: sehr schnell oder mit Vollgas unterwegs sein; Eiserner Vorhang: bei diesem Begriff ist es nicht schade, dass er vergessen werden kann; Sommerfrische: das wohlklingende Wort wurde dem schnöden Begriff Urlaub geopfert.
Nun gibt es nicht nur im Hochdeutschen das Phänomen der verschwindenden Wörter. Auch im Schwowischen bzw. Billedrischen gibt es genügend Beispiele für ausgestorbene und bedrohte Wörter. Ich habe gesucht, gefragt, mich umgehört und dann gesammelt. Herausgekommen sind zwei Arten von Wörtern.
Es gibt die ausgestorbenen billedrischen Wörter für Dinge oder Personen, die es nicht mehr gibt, weil sich die Lebenswelt der Schwowe geändert hat. Und es gibt die Gruppe der Wörter, die von neueren, anderen oder von Wörtern aus der Hochsprache ersetzt wurden.
Schauen wir uns die erste Gruppe mal näher an. Hier handelt es sich hauptsächlich um Wörter aus dem bäuerlichen Arbeitsbereich und der heimischen Lebenswelt.
Wer kennt heute noch den Strohsack, der als Matratze diente und der mit Lieschen, den Blättern der Maiskolben, gefüllt war. Wenn Wolle zum Spinnen fertig gemacht wurde, nann­te man das schlumpe und das Pedal, das beim Spinnen das große Rad antrieb, war das Teppermännche.
Das Gestell am Ende des Pferdewagens wurde Schraagl genannt. Der Dallika war ein kleines Gespann mit einem Pferd und einem Wagen mit nur zwei Rädern. Wurde der Acker stufenweise tief umgeackert, hat man regolt, das kommt vom französischen Wort rigole für Rinne.
Der Wächter auf dem Feld war der Gornick, ein Wort aus dem französischen corne = Tierhorn, das aus der Militärsprache ins Schwowische kam. Der Zallasch, vom ungarischen szállás war in Billed der nicht überdachte Teil des Schweinestalls, als Auslauf für die Schweine. Der Gwannewech war der schmale, nicht gepflasterte Weg zwischen den Ackerparzellen.
Der Begriff Warschhaus kommt aus dem ungarischen város für Stadt, also das Rat- oder Gemeindehaus und der Gemeindediener war der Glerchter, auch Kleinrichter genannt.
Auch die Kaul ist aus dem aktiven Wortschatz verschwunden. Das war eine mit Grund- und Regenwasser gefüllte Grube, meist am Dorfrand, die durch den Aushub von Lehm und Sand für Baumaßnahmen entstanden war. Hatscheloi wurde jemand genannt, der wie eine Ente watschelte.

Peter Klein, der ein wichtiger Wörterlieferant für mich ist, hat mich auf das Wort Zikreet aufmerksam gemacht. Dabei handelt es sich um das stille Örtchen. Ich denke, dieses sehr alte und schon lange nicht mehr gebrauchte Wort kommt vom französischen Wort secret, Geheimnis, also ein eher geheimer, verborgener Ort. Auch den Äpplmoj gibt es nicht mehr. Der rumänische Bauer, der ins Dorf kam, um Äpfel zu verkaufen war der Äpplmoj, wobei moj auf das rumänische măi zurückgeht, das so viel wie heda, hör mal bedeutet.

Die zweite Gruppe der untersuchten Wörter ist noch größer, denn Wörter veralten, werden durch neuere oder durch hier in Deutschland verwendete Begriffe ersetzt. Das ist natürlich eine individuelle Entwicklung, denn manche Leute sprechen noch ein sehr ursprüngliches Billedrisch, andere vermischen die Sprachen mehr und die jungen Leute kennen den Dialekt oft nur noch vom Sprechen der Eltern und Großeltern und sprechen den Dialekt der jeweiligen Regionen, wo sie aufgewachsen sind oder eben auch hochdeutsch. Deshalb will ich hier nur einige Wörter anführen, die meiner Meinung nach bedroht sind und es wert sind, ins Gedächtnis zurückgerufen zu werden.
Die Anrichte im Zimmer war die Kredenz, ein Wort mit italienischem Ursprung.
Der Ulaker ist ein einfaches federloses Taschenmesser. Paschtur ist eine außergewöhnlich große und dicke Person. Die Grundierfarbe der Zimmermaler war der Stritzl.
Wenn etwas die Kehle herunterläuft, „noht rennt et dorch die Stross“. Bin ich wählerisch, dann bin ich schnausich oder haaklich. Ist ein Mensch oder eine Pflanze in die Höhe geschossen, dann bezeichnet man das als schnookich.
Quengeln Kinder, sind sie phinazich. Ein kleines Mädchen kann eine Urschl sein. Und ein schon größeres Mädchen, das noch etwas kindisch ist, ist eine Kulei. Hat jemand eine Glatze ist er plackich. Mache ich ein Nickerchen „noht tun ich lunze“. Netze hat zwei Bedeutungen, es kann das Gießen im Garten sein oder das Erstellen einer Handarbeit.
Stumbatzmilich wurde die Wolfsmilch genannt. Der Saft dieser Pflanze wurde bei kleineren Verletzungen der Haut als Wundverschluss eingesetzt. Der Gänserich ist der Ganauser. Gehe ich über einen Steg oder eine kleine Brücke, „gehn ich iwwer et Puntche“. Das kommt vom französischen Wort Pont für Brücke.
Ebenfalls aus dem Französischen kommen der Plafon, plafond, für Decke und Bizickl, bicyclette, für Fahrrad. Ist mir etwas nicht gelungen „han ich et vermegajt“ und ist etwas nicht eingetreten, womit ich aber gerechnet habe „han ich et verhoppasst“.

In der Schule gab es früher in den Rechenheften das Kotskapapier. Werner Gilde hat mich auf dieses Wort aufmerksam gemacht und wir haben gerätselt, ob es etwas mit dem Architekten Theodor Kotska zu tun hat. Nun mit ihm direkt nicht, aber mit seinem Nachnamen. Kotska heißt nämlich im Ungarischen Würfel. Also ist das Rechenpapier einfach ein „gewürfeltes Papier“. Ein Würfelspiel wurde auch Kotskaspiel genannt. Ein kariertes Hemd und das Schachbrett waren jedoch eckstänich.
Breincher ist der Patschkukuruz, der beim Erhitzen leicht bräunlich wird, aber nicht aufplatzt.
Futtilcher sind kleine, längliche, braune Kletten, die sich besonders gern in der Wolle der Schafe, an den Kuhschwänzen und auch an der Kleidung der Menschen festgehakt haben.

Nun habe ich noch eine wunderbare Aufzählung von Begriffen, die alle einen Menschen bezeichnen, der - vorsichtig ausgedrückt - nicht besonders angesehen ist, manchmal mehr ein Landstreicher, ein liederlicher Mensch, ein Schlitzohr oder auch nicht so besonders hell im Kopf: Betjar, von ungarisch Wegelagerer; Lapetatche, von rumänisch lepadatul, ein liederlicher Mensch; Tschipeeser, ungarisch Lausbub, jemand aus der Stadt, mit zweifelhaftem Ruf; Luheni und Lappes sind Lümmel; Falott ist ein heruntergekommener Mensch; der Bolund ist ein Narr und der Drotosch ein Depp.
Der Galljerstrick ist ein Schlitzohr und Kharnaali ist ein Miststück. Der Hillseblitz ist ein einfältiger Mensch und der Stollemunges ist grobschlächtig oder wie die Billeder sagen „de is mitm Beil zughackt“. Und wenn die zwei auch noch angeben, dann machen sie Broikes.

Auch diese Auflistung von bedrohten schwowischen Wörtern zeigt uns wieder die Vielfalt, Kraft und Schönheit unseres Dialekts. Deshalb werde ich mich weiter bemühen, den Dialekt zu beschreiben, die Wörter aufzuzeichnen und alle Dialektsprecher immer wieder fragen und mir die Wörter vorsprechen lassen. Drum, liewe Leit, sin ich schon ganz äppltänzrich un wart uff Eir Werter un Beitreech.



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