Vivat Eugenius
Temeswar vor 300 Jahren
Am 18. Oktober, um 11 Uhr, läuteten alle Glocken der katholischen Kirchen Temeswars. Bischof Martin Roos hatte dies angeordnet, zur Erinnerung an den Tag und die Stunde, in der die türkische Besatzung Temeswars vor 300 Jahren die weiße Fahne hisste, als Zeichen ihrer Kapitulation, der anerkannten Niederlage und der Bereitschaft, die Festung aufzugeben. Nach zweiundvierzigtägiger Belagerung waren die Osmanen besiegt und boten ihre Kapitulation an.
Schon am Tag darauf, am 13. Oktober 1716, begannen die Kapitulationsverhandlungen im kaiserlichen Feldlager, an denen Prinz Eugen persönlich teilgenommen hat. Zehn Punkte hat diese Kapitulationsurkunde, in der den Türken freier Abzug mit allen militärischen Ehren gewährt wurde, unter Mitnahme ihrer Habe, jedoch ihr Kriegsmaterial mussten sie den Siegern überlassen. Den Bewohnern der Stadt: Raizen, Griechen, Juden, Armeniern und Zigeunern wurde freigestellt zu gehen oder zu bleiben, die meisten blieben.
Am 17. Oktober verließen die Türken Temeswar. Dabei soll sich Folgendes zugetragen haben: Der Sohn des türkischen Stadtkommandanten, Pascha Mustafa, wurde im Kampf verwundet. Pascha Mustafa bat Prinz Eugen um einen Arzt, was dieser auch gewährte und einen Arzt in die Festung schickte. Als dann Prinz Eugen die abziehenden Türken von einem kleinen Hügel beobachtete, kam der Pascha mit zwei Dienern, die einen schönen Araber-Hengst führten, zu Eugen und schenkte diesen dem Feldherrn. Prinz Eugen soll davon sehr gerührt gewesen sein und hat dem Pascha seine goldene Uhr geschenkt. Ein humaner Akt am Ende eines bitteren Kampfes.
Das Gegenteil davon hat sich 164 Jahre vorher bei der Einnahme Temeswars durch die Türken zugetragen: Nach der großen verlorenen Schlacht eines vereinten christlichen Heeres am 29. August 1526 bei Mohacs haben die Türken Ungarn überrannt, sind bis Mitteleuropa vorgedrungen und haben mehrfach Wien belagert. Allein Temeswar blieb wie eine Insel im Meer in christlicher Hand. Heldenhaft hat Burggraf Losonczy mit einer kleinen Schar die Festung verteidigt. Erst nach 26 Jahren waren die Kräfte der Garnison erschöpft, die Festung musste am 30. Juli 1552 übergeben werden. Der türkische Kommandant hatte per Ehrenwort den Besiegten freien Abzug zugesichert. Als die Verteidiger jedoch außerhalb der Festung waren, wurden sie alle niedergemetzelt. Prinz Eugen hatte seinen Truppen jede Provokation und jeden Übergriff beim Abzug der Türken verboten.
Einzug in Temeswar an seinem 53. Geburtstag
Am 18. Oktober, an seinem 53. Geburtstag, zog Prinz Eugen an der Spitze seines Heeres durch das Forforoser Tor in die Stadt, dabei wurde er mit einhundert Kanonenschüssen, Trompetenschall und Vivat-Rufen begrüßt. Temeswar und das Banat waren nach 164 Jahren türkischer Herrschaft wieder in christlicher Hand.
Der Feldzug des kaiserlichen Heeres begann 1716 mit der Schlacht am 5. August bei Peterwardein, wo Prinz Eugen mit seinen Truppen gegen ein zahlenmäßig überlegenes osmanisches Heer einen glänzenden Sieg erfochten hat. Die Armee brach anschließend auf gegen Temeswar, das die Vorhut Ende August erreichte.
Ab dem ersten September begannen die Schanzarbeiten, die Stadt wurde umzingelt und ein heftiger Kanonenbeschuss begann.
Am 17. September war das Artilleriefeuer in voller Kraft. Ein aus Belgrad kommendes Entsatzheer wurde zurückgeschlagen, ebenso wurden zwei Ausfallversuche der Garnison zurückgedrängt. Am 30. September begann der Sturmangriff auf die Stadt. Mehrere Wälle wurden erstürmt, es kam zum Nahkampf.
Nachdem die Vorstadt Große Palanka erobert war, wurde der Kampf um die Festung fortgesetzt. Geballtes Kanonenfeuer schlug Breschen in die Wälle und Bastionen, am 11. Oktober räumten die Türken den nördlichen Wall, am 12. gaben sie ihre Sache verloren und hissten die weiße Fahne. Die Verluste dieses Kampfes waren groß auf beiden Seiten.
Die Nachricht vom Sieg der Kaiserlichen unter Prinz Eugen verbreitete sich schnell über Europa und trug zum weiteren Ruhm des genialen Feldherrn bei. Der Sieg von Temeswar schuf gute Voraussetzungen für den nächsten Feldzug, bei dem im August 1717 Belgrad erobert wurde. Damit endete der Zweite Venezianisch-Österreichische Türkenkrieg (1714-1718), der mit dem Frieden von Passarowitz (21. Juli 1718) abgeschlossen wurde. Dabei wurden die Eroberungen Österreichs bestätigt: Das Haus Österreich erhielt das Banat, die westliche Wallachei, das nördliche Serbien mit Belgrad und Teile Nordbosniens. Das Vordringen der Osmanen nach Mitteleuropa war endgültig (für die nächsten250 Jahre) gestoppt. Österreich hatte seine größte territoriale Ausdehnung erreicht und war zur europäischen Großmacht aufgestiegen.
Die Stadt Temeswar hatte während der Belagerung große Schäden erlitten, zumal nur die sieben Moscheen, einige Bäder und öffentliche Gebäude aus Stein errichtet waren, die Häuser der Bewohner waren größtenteils Holzbauwerke, die dem Brand zum Opfer gefallen waren. Die Vorstellung, wie die Trümmerstadt damals ausgesehen hat, fällt uns nicht schwer.
In der Stadt waren 645 Einwohner verblieben, unter ihnen waren die Raizen mit 466 „Seelen“ die größte Gruppe, aber auch 144 Juden blieben in der Stadt. In den 663 Dörfern des Banats gab es 21.289 Haushalte, die Einwohnerzahl wird auf 80.000 bis 120.000 Personen geschätzt. Infrastruktur gab es so gut wie keine.
Prinz Eugen ernannte, mit Zustimmung des Kaisers, den kaiserlichen Feldmarschall Graf Claudius Florimund Mercy zum ersten Gouverneur der neuen kaiserlichen Provinz und General Franz Paul Graf Wallis zum Kommandanten der Festung Temeswar. Mercy entwickelte ein umfangreiches „Einrichtungsprojekt“, nach dem die neue Provinz zu einer der fortschrittlichsten Regionen des Reiches werden sollte.
Aufbauarbeit
Prinz Eugen hatte, in Abstimmung mit dem Kaiser, entschieden, dass die als neuer Territorialstaat einzurichtende Provinz nicht dem Königreich Ungarn angegliedert wurde, sondern als österreichischer Landesteil über die Wiener Hofkammer regiert wurde.
Die zunächst eingerichtete Militärverwaltung sollte durch eine zivile Landesverwaltung abgelöst werden.
Das Einrichtungsprojekt sah den Ausbau von Straßen und Brücken, die gesteuerte Zuwanderung von deutschen und katholischen Handwerkern und Kaufleuten, den Ausbau von Bergwerken, die Zuwanderung von zunächst orthodoxen Bauern und Viehzüchtern vor. Durch Steuererleichterungen sollte der Zuwachs von Gewerbetreibenden und Kaufleuten unterstützt werden. Schon nach drei Jahren entschied man sich, für das bessere Fortkommen deutsche Bauern aus dem Reich anzuwerben.
Damit begann die gesteuerte Ansiedlung Deutscher im Banat, die eine neue deutsche Volksgruppe – die Banater Schwaben – bilden sollten.
Die Siege Prinz Eugens haben mitentschieden, dass das südöstliche Europa nicht unter den Halbmond kam, sondern Anschluss an Europas Mitte fand. Es hat lange gedauert, bis sich die nach dem Sieg bei Temeswar verfassten Entwicklungspläne Mercys alle erfüllten.
Vor dem Ausbruch des II. Weltkrieges waren sie jedoch wahr geworden. Temeswar war längst eine fortschrittliche Stadt europäischen Ranges. Auf dem Lande war zwischen Rumänen, Ungarn und anderen Ethnien eine deutsche Volksgruppe entstanden, die vor dem Ausbruch des letzten Krieges ihren höchsten Entwicklungsstand an Selbstverwaltung, Wirtschaftskraft und kultureller Entfaltung erreicht hatte. Aus den ehemals versumpften Wiesen waren Weizen- und Maisfelder entstanden, das Banat war ein Land des Segens geworden.
Prinz Eugen, den edlen Ritter und genialen Feldherrn, den viele in eine Reihe mit Alexander, Cäsar oder Napoleon stellen, verehren die Donauschwaben als eine Lichtgestalt ihrer Geschichte.
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